Camping mit Operette und Radtour am Neusiedlersee
Camping mit Operette und Radtour am Neusiedersee – das war der Plan. Nach den ersten 90 km um die Nordhälfte des Neusiedlersees, einer Seeüberquerung mit der Fahrradfähre und einer heißen Dusche im Storchencamp kommen mir Zweifel. Will ich die Fahrt zu den Seefestspielen nach Mörbisch auch noch mit meinem Haibike Drahtesel absolvieren? Hin naja, aber in stockfinsterer Nacht wieder zurück?
Mit dem Doppeldecker-Bus zur Gräfin
An der Camping Rezeption erfahre ich zwei Alternativen: Erstens, mit dem Bootsshuttle nach Mörbisch, allerdings wäre hier bereits um 18 Uhr Abfahrt, so dass ein Abendessen im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fallen würde. Oder eine Fahrt mit dem Original Englischen Doppeldecker, der in Rust um kurz vor 19 Uhr seine Fahrgäste einsammelt. Muss ich da lange nachdenken? Nein – natürlich entscheide ich mich sofort für den Bus. An der Haltestelle warten bereits einige Festspiel-Gäste und pünktlich taucht das rote Ungeheuer auf. Samt seinem Chauffeur Hansi und seiner liebenswerten, lustigen Frau Gemahlin.
Die Hin- und Rückfahrt kostet 12 Euro und ist ein absolutes Erlebnis. Im oberen Stockwerk ist die Aussicht herrlich. Auch, wenn ich mich instinktiv immer mal wieder ducke, weil Hansi und das Spielmobil durch die Baumkronen am Wegesrand rauschen, genieße ich die Tour. Über einige Haltestellen in Rust und Mörbisch geht es bis auf den Parkplatz direkt an der Seebühne. Diese überrascht mich positiv. Nach dem etwas abenteuerlichen Eindruck von der Seeseite aus, zeigt sie sich mit schmucken Gastro-Zelten, die eine vielfältige Auswahl an kalten und warmen Gerichten anbieten. Dazu noch zahlreiche Ausschank-Pavillons, kleine Kaffeebars und vieles mehr.
Die Bühne und der See
Schließlich steige ich über die Treppen zu meinem Sitzplatz auf der Tribüne und staune über die riesengroße Bühne. Harmonisch verbindet sie sich mit dem dahinter liegenden Schilfgürtel des Sees. Ein wahrhaft atemberaubender Anblick. Dieser wird von der gigantischen Geige, die – wie sich später herausstellen soll – das gesamte Bühnenbild beinhaltet, noch getoppt. Die Vorstellung ist ausverkauft.Als alle Ränge gefüllt sind, beginnt eine sehr unterhaltsam inszenierte, hochkarätig besetzte Gräfin Mariza. Ich koste jede Minute aus und schließe mich am Ende dem tosenden Applaus von ganzem Herzen an.
Als der letzte Vorhang gefallen ist, mache ich mich Richtung Parkplatz auf. Dort wartet Hansi schon mit dem feuerwehrroten Doppeldecker. Echt bewundernswert, wie er dieses Kaliber durch den engen Verkehr manövrier. Und das noch rechts gesteuert! Ein Blick auf den Fahrplan verrät mir, dass der gute Engländer aus dem gleichen Jahrgang stammt wie ich. Sixty’s forever! Mit den beschwingten Klängen von Emmerich Kalman im Ohr krabble ich zurück am Campingplatz in mein gemütliches Wohnmobil-Bett und schlummere selig bis in den Morgen.
Um die Südhälfte des Neusiedlersees radeln
Die ersten Sonnenstrahlen kitzeln mich durch meine Dachfenster wach. Nach einem schnellen Frühstück schwinge ich mich wieder auf mein Fahrrad. Dieses Mal geht’s gen Süden von Rust über Mörbisch bis zur ungarischen Grenze. Die liegt ca. 2 km hinter Mörbisch und ist nur an den zwei entspannten Grenzpolizisten zu erkennen ist. Ich fahre auf dem Iron Curtain Trail, der schon bald auf und ab durch die ungarischen Weinberge führt. Die Vegetation ist hier viel grüner als im Norden des Sees und der Ausblick abwechslungsreicher.
Die prallen dunkelroten Trauben machen mir gleich wieder Lust auf den köstlichen Traubensaft aus Rust. Da werde ich mir noch zwei Flaschen mit nach Hause nehmen. Anscheinend fahren die meisten See-Umrunder den Radweg im Uhrzeigersinn. Mir kommen viele entgegen, aber so gut wie keiner fährt in meine Richtung. Ab Balf verläuft der Radweg parallel zur Bundesstraße und durchquert zahlreiche Ortschaften wie Fertöboz, Hidegseg, Fertöhomok, Hegykö, Fertöszeplak und Fertöd.
In letzterer hole ich mir eine Topfengolatsche – auch Quarktasche genannt. In Ungarn macht man die mit Hefeteig und sie schmeckt sehr, sehr lecker. Kurz nach der Bäckerei halte ich mich links (Radweg 13). Die nächsten fast 14 km durch den Fertö Hansag Nationalpark sind so einsam, dass ich befürchte, mich mal wieder verfranst zu haben. Aber dann tauchen doch einige andere Radler auf und schließlich auch wieder eine Beschilderung. Alles richtig.
Der ungarische Ausläufer des Seewinkels beherbergt auch hier viele verschiedene Wasservögel. Einige Meter weiter haben sich ein paar Steppenrinder zentimeterdick ein Schlammbad als Sonnenschutz aufgetragen. Kein Wunder, es hat auch heute wieder über 30 Grad. Eine endlos lange Gerade vorbei an Maisfeldern bringt mich zurück nach Österreich – ganz ohne Grenzpolizei.
Mit der Radfähre von Illmitz nach Mörbisch
Ich biege auf den Neusiedlersee Radweg B10 ein und erreiche nach rund 8 km den Fährhafen in Illmitz. Das Bötchen bringt mich und seine restliche Ladung zurück nach Mörbisch. Auf meinem Heimweg durch Rust entdecke ich eine Musical Abendveranstaltung im hübschen Innenhof des Kremayrhaus. Spontan entscheide ich mich, die laue Sommernacht dort zu verbringen.
Musical-Darsteller Jürgen Solis begeistert das Publikum gemeinsam mit zwei Kolleginnen, allen voran die wirklich grandiose Cassandra Schütt. Deren glasklare Stimme jagt mir die Gänsehaut nur so rauf und runter. Das Repertoire umfasst viele bekannte Musical-Songs und sehr, sehr viel Leidenschaft für Musik. Ein wunderschöner, motivierender Abend – bravo, bravissimo und herzlichen Dank! So nehme ich beseelt und mit dezenten Sattel-Nachwirkungen Abschied vom Neusiedlersee.