Kilometer und Kultur am Neusiedlersee
Mit dem Wohnmobil zu Radtour und Kultur am Neusiedlersee. Das war das Motto dieserTour. Warum? Ich liebe Freilichtbühnen – diese einzigartige Stimmung, wenn es langsam dunkel wird, die laue Sommerluft, der Sternenhimmel und dazu die Emotionen auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Während meiner Jahre in Nürnberg habe ich jeden Sommer genutzt, um die zahlreichen open air Festspielorte im Umkreis abzuklappern. Seit ich meinen Wohnsitz in Kärnten habe, ist das nicht mehr ganz so einfach. Dazu kommt, dass mir viele Opern dann doch etwas zu schwer verdaulich sind. Irgendwann im Frühling bekam ich das Programm der Seefestspiele Mörbisch in die Finger und siehe da, Gräfin Mariza ist eine meiner absoluten Lieblingsoperetten. Schnell war ein Plan gefasst: Als Tagesprogramm die Umrundung des Neusiedlersees mit dem Fahrrad, am Abend Operettenglanz unter freiem Himmel.
Ausganspunkt beim Storchencamp in Rust
Bei den Detailüberlegungen stellte sich dann heraus, dass die 135 km vielleicht doch besser in zwei Teiletappen zu bewältigen sind. Vor allem, weil die Seebühne von Mitte Juli bis Ende August spielt, da kann es schon mal etwas wärmer werden….wie recht sollte ich damit behalten. Um meinen Adria Twin Ducato nicht für den Abendevent abbauen zu müssen, suchte ich mir einen Campingplatz möglichst nahe an Mörbisch. Und wurde in Rust fündig. Die Anreise ging recht flott und im Storchencamp waren noch genug freie Parzellen. Ich durfte mir also mein Wunschplätzchen aussuchen.
Der Platz liegt direkt neben dem Seebad Rust. Bei mehreren Nächten Aufenthalt gibts die NeusiedlerCard gratis dazu. Damit hat man sowohl ins Seebad freien Eintritt, als auch bei vielen anderen Museen und Ausstellungen. Zum Wochenende hin füllte sich der Platz zwar, war aber bei Weitem noch nicht voll. Und das Sanitärgebäude immer Tip-top in Schuss – Danke an das fleißige Putzteam. Das (leider) nicht sehr einladende Restaurant habe ich nicht ausprobiert, der Lebensmittelladen (nur von 7 bis 10 Uhr offen) dient auch eher einer Notversorgung.
Störche auf dem Dach und frischer Traubensaft aus der Region
Aber der Standort ist wirklich klasse und das Städtchen Rust hat mich total begeistert. Gleich am ersten Nachmittag radel ich ins Zentrum, ca. 1,5 km vom Campingplatz. Dort schlendere ich durch die netten Gassen, vorbei an Cafés, Buschenschenken und Restaurants. Auf den Schornsteinen thronen die Storchennester samt Insassen – das Wahrzeichen von Rust. Für zwei Euro darf ich den Kirchturm der katholischen Kirche erklimmen und von dort oben eine herrliche Aussicht genießen. Im Cafe am Hauptplatz trinke ich nach den vielen steilen Treppen einen köstlichen Traubensaft. Der schmeckt mir so gut, dass ich einige Flaschen davon kaufe (sehen aus wie Rotweinflaschen, hat bestimmt einen Eindruck hinterlassen auf dem Campingplatz, hihi).
Am Rathausplatz gehts durch eine Hofeinfahrt zum Fahrradverleih Schneeberger, bei dem ich mich durch Horden von Miet-E-Bikern schlängle. Im Innenhof entdecke ich auf einer Stellage unter dem Dach ein paar Oldtimer Roller . Hans – der Chef – erklärt mir nur zu gerne, was das für Unikate sind. Darunter der Conny Roller von HMW – für den die damals erst 16jährige Conny Froboess Patin stand. Beim Plaudern stellt sich raus, dass die Roller nur eine Zweitleidenschaft sind.
Die erste gilt alten Fahrrädern und davon hat er unzählige auf dem Dachboden. Eine kleine exquisite Auswahl wurde für vor zwei Jahren für eine Sonderausstellung ausgeliehen und hergerichtet. -Beim Blättern im dazugehörigen Ausstellungskatalog werden meine Augen immer größer. Einräder, Hochräder, Holzräder, Militärräder, Lastenräder und vieles Einzigartige mehr. Schließlich taucht auf einer Seite mit absolutes Traumrad auf – das Bonanza Rad. Was hätte ich dafür gegeben….
Wir sind so in die ganzen Schätze vertieft, dass sich im Hof langsam die Kunden stapeln und die Dame des Hauses mit Hans etwas ungnädig wird, also verabschiede ich mich schnell, um nicht den Haussegen noch gänzlich in Schieflage zu bringen. Eine Begegnung, die ich sicher nicht vergessen werde – unverhofft kommt oft. Kommt noch dazu, dass bei Hans Kindersitze, Fahrradhelme, Hundekörbe usw. kostenlos im Mietpreis inbegriffen sind!! Einfach ein netter Mensch.
Wenig Wasser im Neusiedlersee
Am Rückweg schaue ich im Ruster Seebad vorbei. Hier kann man Bötchen fahren oder einfach im Cafehaus den Ausblick genießen. Conny hin oder her – Ihr wisst schon: “Pack die Badehose ein….” – der See ist Milchkaffeebraun. Und so verwöhnt wie ich von den Kärntner Badeseen in Trinkwasserqualität bin, reizt mich dieses Steppenbad nicht wirklich. Der Tag neigt sich zu Ende und die Nacht wird Dank Mückenstecker ruhig. Mich haben ja alle vor den Millionen von Stechmücken gewarnt. Die sollen in Seenähe über einen herfalle. Aber noch bin ich Stichfrei, vielleicht ist es sogar denen zu heiß. Am nächsten Morgen breche ich zur ersten See-Etappe auf.
Die Nordschleife um den Neusiedlersee
Trotz der frühen Stunde ist es schon recht warm und die angekündigten 31 Grad muss ich nicht unbedingt länger als notwendig auskosten. Von Rust aus folge ich dem Neusiedlersee-Radweg Richtung Norden. Über Oggau (hier soll es auch einen tollen Bauernladen geben, den ich leider nicht schaffe), Purbach und Winden komme ich nach Neusiedl. Das hatte ich mir ganz anders vorgestellt – dörflicher, netter, einladender, hübscher. Ich stelle mein Radl ab und wandere vorbei an ungepflegten, nichtssagenden Häusern durch dieses Straßendorf. Über den sogenannten Hauptplatz, der weder ein Platz ist noch sonstwas. Am Ende finde ich doch noch ein recht nettes Cafe mit einer schönen Frühstückskarte, gutem Kaffee und netter Bedienung. Etwas versöhnt mit Neusiedl steige ich wieder auf meinen Drahtesel.
Vorbei am Vogelparadies
Nach einem Abstecher zum Strand, der wirklich hübsch ist, mit toller Bar und Segelhafen, freu mich schon auf die nächste Passage. Laut Karte geht diese endlich nah am See entlang. Rund 10 km später komme ich nach Podersdorf und weitere rund 3 km danach ist der See in Sichtweite. Schließlich treffe ich auf einen älteren Herren, der mit seinem Swarovski Fernglas Vögel beobachtet. Ich frage ihn, ob er mich auch mal durchschauen lässt. Endlich sehe ich prachtvolle Löffler, Säbelschnäbler, Graureiher, Stelzenläufer und Kampfläufer. Natürlich weiß ich das nur, weil mir der nette Profi-Ornithologe geduldig meine Fragen beantwortet: “Und was ist das kleine schwarz-weiße mit dem gebogenen Schnabel?” DANKE!!
Schon bald ist das lebendige Treiben aber wieder vorbei und die Extra-Kilometer entlang der Lackenrunde werden nur mit ausgetrockneten Tümpeln belohnt. Der extrem heiße und trockene Sommer hat wohl auch hier seinen Tribut verlangt. Schade – bei höherem Wasserstand ist die Vogelwelt hier bestimmt sehenswert. Nach rund 80 km erreiche ich Illmitz.
Mit der Fähre und einem lustigen Kapitän zurück
Der Weg zur Fahrradfähre zieht sich wie Kaugummi. Dafür entlohnt die nette 30 minütige Überfahrt mit einem lustigen Kapitän (scheine ich wohl magisch anzuziehen – Captain oh Captain aus Levanto) aber reichlich . Übrigens zahlt man mit der NeusiedlerCard nur den halben Preis: 3,50 Euro für Ross und Reiter. Das ist wirklich ein fairer Preis. Bei der Hafeneinfahrt Mörbisch eröffnet sich mir der erste Blick auf die Seebühne, die von der Wasserseite aus eher an “Waterworld” erinnert. Da bin ich mal gespannt….. Jetzt heißt es aber erst noch 8 km zurück nach Rust treten und dann ab in die Dusche. Wie der Abend mit der Gräfin und die Südhälfte des Sees so waren, könnt Ihr gerne nachlesen.